Welche Arten von Nervenläsionen gibt es?
Ein Nerv besteht aus der Nervenfaser (Axon) und seiner Hüllschicht. Meist ist die Schädigung mechanisch bedingt (z.B. durch unfallbedingte Verletzung, anatomischen Engpass, Bandscheibenvorfall in Rücken und Nacken), es gibt jedoch auch andere, z.B. entzündliche oder stoffwechselbedingte Ursachen.
Da ein Nerv meist sensible und motorische Fasern hat kann eine Nervenläsion Sensibilitätsstörungen, Schmerzen und eine Schwäche der vom Nerven versorgten Muskulatur hervorrufen.
Welche Untersuchungen sind notwendig?
Zunächst erfolgt die gründliche neurologische Untersuchung, in der die Prüfung der Reflexe, der Sensibilität und der Muskelkraft wichtige Informationen liefern. Auch Provokationsmanöver sind hilfreich, zum Beispiel beim häufigsten Nervenkompressionssyndrom, dem Karpaltunnelsyndrom, oder auch dem Ellennervensyndrom oder bei anatomischen Engpass-Syndromen im Halsnervengeflecht, dem Plexus.
An den Beinen werden Nervendehnungszeichen (z.B. Lasègue) geprüft. Meist werden auch neurophysiologischen Untersuchungen durchgeführt. Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) erkennt Überleitungsstörungen (etwa im Karpaltunnel, am Ellenbogen oder am Köpfchen des Wadenbeins) und grenzt Engpass-Syndrome von Polyneuropathien ab. Die Elektromyographie ( EMG) untersucht die Muskulatur und kann dort akute von chronischen Schädigungen unterscheiden und bei Lähmungen Nervenläsionen von Muskelerkrankungen (Myopathien) differenzieren.
Was bedeutet Polyneuropathie?
Polyneuropathien sind generalisierte Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Zum peripheren Nervensystem gehören alle außerhalb des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark) liegenden Teile der motorischen, sensiblen und autonomen (vegetativen) Nerven mit ihren Hüllstrukturen (Peri- und Epineurium) sowie den sie versorgenden Blut- und Lymphgefäßen.
Wie entsteht eine Polyneuropathie?
Die Nervenschädigung entsteht durch eine Stoffwechselstörung der Nerven, z. B. durch Mangeldurchblutung, Vitaminmangel, toxische Einflüsse oder Entzündung. Die mit Abstand häufigste Ursache einer Polyneuropathie ist der Diabetes mellitus, deutlich seltener sind Polyneuropathien durch Alkohol, Nerven- oder Nervenwurzelentzündung, Tumorerkrankung, falsche Eiweiße im Blut (Paraproteinämie), Vitamin B12-Mangel, eine Entzündung der die Nerven versorgenden Gefäße (Vaskulitis) sowie viele andere, meist sehr seltene Ursachen.
Auch erbliche Formen der Polyneuropathien kommen vor. Bei einem nicht unerheblichen Anteil der Polyneuropathien kann auch bei intensiver und wiederholter Diagnostik die Ursache nicht gefunden werden.
Welches sind die Anzeichen einer Polyneuropathie?
Man unterscheidet sensible, motorische und autonome Störungen.
Sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen sind:
- Kribbeln, Ameisenlaufen, Wärme- und Kältemissempfindungen, Stechen, Elektrisieren, Brennen („burning feet“)
- Pelzigkeits- und Taubheitsgefühle, Gefühl des Eingeschnürtseins
- Schwellungsgefühle, Gefühl des unangenehmen Drucks, das Gefühl wie auf Watte zu gehen
- Gangunsicherheit, insbesondere bei Dunkelheit mit Empfinden von „Schwindel“,
- Fehlende Temperaturempfindungen, Schmerzlose Wunden
Die sensiblen Symptome werden meist an den Zehen und Füßen zuerst wahrgenommen.
Motorische Reiz- und Ausfallerscheinungen sind:
- Muskelzucken, Muskelkrämpfe, Muskelschwäche und Muskelschwund.
Autonome Ausfallerscheinungen sind:
- Pupillenstörungen , geschwollene Füße oder schlecht heilende „offene Beine“
- Zu viel oder zu wenig Schwitzen,
- orthostatische Schwindelbeschwerden,
- Verdauungsstörungen, Verstopfung, Duchfall
- Blasenentleerungsstörungen, Störungen der Potenz, fehlendes Gefühl für die Blasenfüllung
Welche Untersuchungen sind bei Polyneuropathien notwendig?
Zunächst wird die Vorgeschichte (Anamnese) erfragt, dann folgt eine gründliche neurologische Untersuchung. Typische Befunde sind fehlende Reflexe, herabgesetzte Sensibilität (das Vibrationsempfinden wird beispielsweise mit der Stimmgabel untersucht) oder Gleichgewichtsstörungen bei geschlossenen Augen.
Mit neurophysiologischen Untersuchungen (Nervenleitgeschwindigkeit oder NLG und Elektromyographie oder EMG) werden die Funktionen der Nervenzellen und ihrer Hüllschichten in Nerven und Muskulatur untersucht. So können Schädigungen einzelner Nerven oder Nervenwurzeln von einer Polyneuropathie abgegrenzt und andere Erkrankungen wie eine lumbale Spinalstenose (durch einen engen Wirbelsäulenkanal können die durchtretenden Nervenwurzeln auf beiden Seiten gestört werden) ausgeschlossen werden.
Auch gibt die Neurophysiologie Aufschluss über das Ausmaß der Störung und kann zur Verlaufskontrolle eingesetzt werden. Eine wichtige Differentialdiagnose ist auch das Restless legs Syndrom, bei dem Symptome einer Polyneuropathie (meist Kribbeln oder Schmerzen) mit einer quälenden Unruhe meist der Beine verbunden sind. Die Restless legs Beschwerden sind abends oder in der Nacht am stärksten.
Wenn eine Polyneuropathie gesichert ist beginnt die Suche nach der Ursache. Diese ist abgestimmt auf das Muster und das Ausmaß der Nervenschädigung sowie Art und Verlauf der Beschwerden.
Zunächst werden Laboruntersuchungen im Blut durchgeführt, bei ausgeprägten Beschwerden auch eine Nervenwasseranalyse, weitere internistische Diagnostik, bei Verdacht auf erbliche Polyneuropathie humangenetische Untersuchungen oder in Einzelfällen auch eine Nerven- oder Muskelbiopsie (Gewebsentnahme).
Was kann man tun gegen Polyneuropathie?
Zuerst wird man die Ursache behandeln, sofern diese gefunden wird. Unabhängig davon wird man auch die Symptome behandeln, vor allem Schmerzen. Da es sich um Nervenschmerzen handelt werden spezielle, antineuropathische Substanzen eingesetzt.
Gegen ein Taubheitsgefühl in den Füßen kann man weniger gut mit Medikamenten vorgehen. Hier bieten sich physikalische Methoden wie Bürstenmassagen, Bewegungsübungen und durchblutungsfördernde Maßnahmen an. Das Restless legs Syndrom kann medikamentös sehr gut behandelt werden.