Was passiert bei einer Epilepsie im Gehirn?

Die Epilepsie gehört zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Eine Epilepsie tritt in Deutschland etwa bei 0,5 – 1% der Bevölkerung auf. Hingegen erleiden etwa fünf Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens einen epileptischen Anfall (Quelle: WHO).

Grundsätzlich kann bei jedem Menschen unter bestimmten Voraussetzungen oder Provokationsfaktoren ein epileptischer Anfall auftreten. Ursächlich für eine Epilepsie können Entwicklungs- und Differenzierungsstörungen oder akute Erkrankungen des Gehirns sein wie zum Beispiel eine Entzündung, ein Tumor oder erworbene Narben nach Hirninfarkt, Hirntrauma oder Blutungen. Oftmals liegt auch eine angeborene oder genetische Ursache vor.

Bei einem epileptischen Anfall treten plötzliche, rhythmische und synchrone Entladungen eines neuronalen Zellverbandes auf. Die Neurone entladen viel schneller als normal, was oft zu Bewusstlosigkeit und Muskelkrämpfen führt. Diese Entladungen können nur Teile des Gehirns (fokaler Anfall) oder das gesamte Gehirn betreffen (generalisierter Anfall).

Welche Symptome kommen bei einem epileptischen Anfall vor?

Die Epilepsie manifestiert sich mit sehr unterschiedlichen Anfallstypen. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen generalisierten und fokalen Anfällen.

Generalisierte, tonisch-klonische Anfälle (Grand mal) sind charakterisiert durch einen plötzlichen Bewusstseinsverlust, einer generalisierten Verkrampfung und nachfolgend rhythmischen Muskelzuckungen des gesamten Körpers. Als Abcencen (Petit mal) bezeichnet man abrupte kurz dauernde Bewusstseinsstörungen, welche nur mit sehr geringen motorischen Phänomenen wie Lidflattern oder leichten Zuckungen im Gesicht einhergehen. Myoklonische Anfälle gehen mit beidseitigen Zuckungen bei erhaltenem Bewusstsein einher. Bei Atonischen Anfällen kommt es durch einen plötzlichen Tonusverlust der Muskeln zu Stürzen.

Zu fokalen Anfällen kommt es, wenn die rhythmischen Entladungen herdförmig in einem umschriebenen Gebiet der Hirnrinde beginnen. Einfache fokale Anfälle bleiben auf einen relativ kleinen Bereich im Gehirn beschränkt. Bei komplex-fokalen Anfällen breiten sich die Entladungen der Nervenzellen erheblich weiter aus, führen zu einer Störung des Bewusstseins und können bei Ausbreitung auf das gesamte Gehirn zu einem sekundär generalisierten Anfall mit Bewusstlosigkeit führen. Die Erscheinungsform der fokalen Anfälle sind äußerst vielfältig, je nachdem in welchem Teil des Gehirns der Anfall sich entwickelt.
So treten zum Beispiel unwillkürliche Bewegungen des Kopfes oder der Gliedmaßen, Zuckungen eines Arms oder Beins (welche sich auch ausdehnen können = march) auf, komplexe Bewegungsabläufe (Automatismen), einseitige Gefühlsstörungen bis hin zu seltsamen Gefühlen, Halluzinationen (zum Beispiel optische, akustische, Geruchs- oder Geschmackshalluzinationen), Wahrnehmungsstörungen oder psychischen Symptomen (wie Angst und Erregung, Dämmerzustände oder Déjà-vu-Erlebnisse).

Die Symptome erlauben Rückschlüsse auf die Lokalisation des Anfallsherdes im Gehirn. Nicht selten werden die Symptome einer Epilepsie jedoch von den Betroffenen und Angehörigen nicht als Anfälle erkannt.

Wie wird eine Epilepsie erkannt?

Wie wird eine Epilepsie erkannt?Zunächst ist eine genaue Anamnese (Erfragung der Vorgeschichte) notwendig. Wir legen besonderen Wert auf die Erhebung der Anfallsanamnese einschließlich der Fremdanamnese beispielsweise durch Angehörige, Medikamentenanamnese und Familienanamnese. Auch die Erfassung und von neuropsychologischen und psychischen Störungen ist uns wichtig. Die wichtigste diagnostische Methode ist die Ableitung eines EEG (Elektroenzephalogramm).

Das EEG registriert Potentialschwankungen der Hirnrinde, welche durch die Summe aktivierender und hemmender Potentiale der einzelnen Nerven entstehen. Im wachen Zustand mit geschlossenen Augen findet sich ein Alpha-Rhythmus von 8-13 Hz mit Betonung über den okzipitalen Regionen. Im Falle einer Epilepsie lassen sich epilepsietypische Muster ableiten (zum Beispiel spike-wave-Komplexe), welche generalisiert oder fokal (umschrieben) auftreten können. Auch EEG-Anfälle oder regionale Verlangsamungen lassen sich gut erkennen. Eine Bildgebung des Gehirns sollte erfolgen, um symptomatische Ursachen wie zum Beispiel eine Narbe nach Schlaganfall oder eine fokale kortikale Dysplasie (fokale Entwicklungsstörung der Großhirnrinde) zu entdecken.

Wie kann eine Epilepsie behandelt werden?

Grundsätzlich erfolgt eine ausführliche Beratung zur Vermeidung möglicher Auslöser von Anfällen. Rund 80 Prozent der Epilepsie-Erkrankten können durch Medikamente langfristig gut eingestellt werden. Mit den Antiepileptika können die epileptischen Anfälle unterdrückt werden. Als erste antiepileptisch wirksame Substanzen wurden bereits 1857 Brom und 1912 Phenobarbital entdeckt, 1938 folgte Phenytoin. Mittlerweile gibt es über 20 weitere verschiedene Antiepileptika. Aber nicht jedes Medikament ist für jede Epilepsie geeignet. Für die richtige Auswahl ist es vor allem wichtig, zuvor die Art der Epilepsie zu diagnostizieren.

Andere Faktoren sind bei der Auswahl des Medikamentes zu berücksichtigen wie zum Beispiel Begleiterkrankungen, die Einnahme anderer Medikamente (Interaktionen), individuelle Lebenssituation und die Verträglichkeit des Antiepileptikums. Insbesondere die Nebenwirkungen (sowohl kurzfristige als auch langfristige) müssen berücksichtigt werden, da die Medikation zumeist über sehr lange Zeit, oft lebenslang, eingenommen werden muss. Sind die Anfälle medikamentös auch mit mehreren Medikamenten nicht befriedigend kontrolliert, sollte die Möglichkeit eines Epilepsie-chirurgischen Eingriffes geprüft werden. Hierbei kann in manchen Fällen durch eine Operation Anfallsfreiheit erreicht werden.

In bestimmten Situationen kann auch die Vagus-Nerv-Stimulation weiterhelfen. In manchen Fällen ist es dem Betroffenen möglich, durch Selbstkontrolle anfallsauslösenden Bedingungen wie zum Beispiel Stress bei Auseinandersetzungen entgegenzuwirken und so einen Anfall zu verhindern. Diese Verfahren wie Atemübungen, autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation nach Jacobson können erlernt und in Alltagssituationen angewendet werden.