Wie entstehen Kopfschmerzen?
Die internationale Kopfschmerzgesellschaft als wissenschaftliche Fachgesellschaft der Kopfschmerzexperten unterscheidet über 100 verschiedene Kopfschmerzformen. Symptomatische Kopfschmerzen weisen – durch das Symptom Kopfschmerz – auf eine zugrundliegende Erkrankung hin, etwa einen grippalen Infekt oder – in seltenen Fällen – auf eine Erkrankung des Gehirns, der Hirndurchblutung oder der Hirnwasserzirkulation.
In der Praxis sind jedoch die sogenannten idiopathischen Kopfschmerzformen sehr viel häufiger, hier sind die Kopfschmerzen selbst die Erkrankung. Von der Bedeutung her steht die Migräne an erster Stelle. Vergleichende Studien haben gezeigt, dass die Lebensqualität von Migränikern im Durchschnitt schlechter ist als die von Diabetikern.
Woher kommt die Migräne?
Die Migräne hat einen genetischen Hintergrund, mehr als jeder zweite Migräniker hat einen ebenfalls betroffenen Verwandten ersten Grades. Dabei gibt es – von seltenen Migräneformen einmal abgesehen – nicht „das Migränegen“, sondern eine Vielzahl von Genen ist dafür verantwortlich und erklärt auch die große Vielfalt der Migränesymptome. Ausgehend von dieser genetischen Disposition spielen Umwelteinflüsse eine Rolle, vor allem der Lifestyle und Faktoren im Umfeld sind zu nennen, aber auch körperliche Faktoren wie die hormonellen Zyklusschwankungen der Frau.
Wie erkennt man eine Migräne?
Es mag überraschend klingen: kein einziges Symptom allein kann eine Migräne anzeigen, nicht einmal das Symptom Kopfschmerz. Migräniker kennen eine große Vielfalt von Symptomen, die mit ihrer Disposition verbunden sind und die sich im Laufe ihres Lebens sehr verändern können. Auch können verschiedene Arten von Migränekopfschmerzen bei einem Betroffenen auftreten. Entscheidend ist das Muster. Grob vereinfacht äußert sich die Migräne in episodisch auftretenden Symptomen von Stunden bis Tagen Dauer. Die internationale Kopfschmerzgesellschaft fordert zur sicheren Diagnose einer Migräne folgende Symptome einer unbehandelten (!) Attacke, die in dieser Form immer wieder auftritt:
Mindestens zwei von:
- Einseitiger Kopfschmerz
- Mittelstark bis stark von der Ausprägung
- Pochende, pulsierende Schmerzqualität
- Verstärkung des Schmerzes durch körperliche Routinetätigkeiten (wie Treppensteigen, sich Bücken usw.), die deshalb vermieden werden
Mindestens eins von
- Übelkeit und/oder Erbrechen
- Lärm- und Lichtscheu
Migräne kann sich also z. B. äußern in mittelstarken, beidseitigen, drückenden Kopfschmerzen, die beim Treppensteigen zunehmen und von einem Rückzugsbedürfnis mit Lärm- und Lichtscheu begleitet sind. Übelkeit oder Halbseitigkeit der Kopfschmerzen müssen nicht vorhanden sein, wie viele meinen. Die Halswirbelsäule hat nichts mit Migräne zu tun, auch wenn viele Attacken im Nacken beginnen.
Etwa jeder zehnte Migräniker leidet zusätzlich unter Auren, das sind neurologische Störungen (Sehstörungen wie Flimmer- oder Zickzacksehen, aber auch Gefühlsstörungen am Arm oder im Gesicht und Sprachstörungen), die bis zu einer Stunde lang dauern und den Kopfschmerzen meist vorausgehen. Die Kopfschmerzen selbst sind bei diesen Patienten oft weniger ausgeprägt. Aber auch Schwindel, wiederkehrendes Erbrechen oder ausgeprägte Stimmungsschwankungen können Migräneattacken begleiten oder ganz im Vordergrund stehen.
Was für Migräneauslöser gibt es?
An erster Stelle stehen die hormonellen Zyklusschwankungen der Frauen, die sogenannte menstruelle Migräne ist nicht nur häufig, sondern auch oft weniger gut behandelbar als andere Migräneattacken. Unregelmäßigkeiten in der Lebensführung und Rhythmuswechsel sind ebenfalls häufig wie Ausschlafen (oft am Wochenende), unregelmäßige Malzeiten, Zeitverschiebung nach weiten Flügen sowie nachlassender Stress nach angespannten Situationen. Nahrungsmittel spielen entgegen landläufiger Meinung meist eine untergeordnete Rolle, abgesehen von Alkoholgenuss (vor allem Rotwein), der nicht selten Migräneattacken auslösen kann. Auch Gesundes kann Nachteile haben: bei manchen Migränikern werden Attacken durch sportliche Betätigung ausgelöst (Anstrengungsmigräne).
Mit Migräne gut leben
Untersuchungen haben gezeigt: am besten fahren die Migräniker, die ihre Besonderheit akzeptieren, gut darüber informiert sind, die Behandlungsmöglichkeiten kennen und diese auch entschlossen anwenden. Der Lifestyle kann viel ausmachen. Regelmäßiger Schlaf, ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Ausdauersport (3 mal 30 Minuten in der Woche senkt die Attackenfrequenz), Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation oder Meditation/Yoga) und Vermeidung von vorhersehbarer Überforderung durch realistische Tages- und Wochenplanung sind eine sehr gute Basis. Wenn doch eine Attacke kommt: Ein Medikament ist dann gut wirksam, wenn die Symptome nach maximal 2 Stunden wesentlich gebessert sind, sodass der Tagesablauf in Freizeit und Beruf nicht beeinträchtigt ist.
Ausprobieren lohnt sich, es gibt viele verschiedene Substanzen und Anwendungsformen (Tablette, Nasenspray, Zäpfchen, Hautspritze), die eine maßgeschneiderte Therapie für fast jede Situation möglich machen. Wenn trotz allem die Migräne zu häufig ist: Für diese Fälle gibt es gut untersuchte Substanzen, die die Migränelast durchschnittlich auf die Hälfte reduzieren.
Wenn die Migräne chronisch wird
Bei einem Teil der Menschen ist die Migräne so stark ausgeprägt, dass sie auch bei optimaler Lebensführung über mehrere Monate an über 10 Tagen im Monat Akutschmerzmittel anwenden. In diesen Fällen spricht man von Medikamentenübergebrauch. Der Medikamentenübergebrauch kann die Migräne chronifizieren, aber auch andere Faktoren wie psychische Begleiterkrankungen (Ängste, Depressionen) und starkes Übergewicht (Adipositas) sind Chronifizierungsfaktoren. Es kommt dann darauf an, allen diesen Faktoren Aufmerksamkeit zu schenken und sie konsequent zu behandeln. Eine Medikamentenpause kann bei vielen dieser Patienten die Migränehäufigkeit wieder reduzieren, meist geht das ambulant, sonst im Krankenhaus.
Neben einer medikamentösen Prophylaxe sind meist verhaltenstherapeutische Ansätze zur Veränderung des Lifestyles oder von festgefahrenen Verhaltensmustern Erfolg versprechend. Manchmal ist es notwendig, eine sogenannte multimodale Therapie im Krankenhaus durchzuführen, um eine Veränderung einzuleiten. Dabei wirken verschiedene Spezialisten (ärztliche Kopfschmerzexperten, Psychologen, Physiotherapeuten, Kunsttherapeuten) zusammen und entscheiden zusammen mit dem Betroffenen über das beste Vorgehen.
Vom richtigen Umgang mit Kopfschmerzmitteln
So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. So könnte man das Prinzip beschreiben, wobei Migräniker oft den Fehler machen, die einzelne Attacke mit einer zu niedrigen Dosis an Akutschmerzmittel zu behandeln aus Sorge, in einen Medikamentenkopfschmerz hineinzugeraten oder ihren Körper durch Schmerzmittel zu schädigen. Wenn die Initialdosis zu niedrig ist hilft sie aber häufig nicht gut und es muss (z. T. mehrfach) nachdosiert werden, so dass genau das eintritt, was verhindert werden soll: der Schmerzmittelgebrauch wird höher als nötig. Es ist besser, das richtige Medikament und die Dosis davon herauszufinden, was eigentlich immer gut hilft, das ist dann die richtige Strategie. Wenn die Einnahme zu häufig wird (an mehr als an 2 Tagen in der Woche oder an 10 Tagen im Monat) muss die Strategie (spätestens!) geändert und die Vorbeugung (Prophylaxe) überprüft werden. Wenn der Übergebrauch über drei Monate anhält ist eine Medikamentenpause sinnvoll.
Welche Kopfschmerzen gibt es noch?
Anders als bei der Migräne sind Cluster-Kopfschmerzen bei Männern häufiger. Cluster-Kopfschmerzen gehören zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzen und sind extrem schmerzhaft, die Schmerzen sind immer einseitig und um ein Auge herum lokalisiert, verbunden mit einseitigem Augentränen, Augenrötung, Nasenlaufen, einer lokalen Schwellung oder einem Herabhängen des Augenlides.
Es handelt sich ebenfalls um Kopfschmerzattacken, die jedoch kürzer sind (30 Minuten bis 3 Stunden) als bei der Migräne und häufig zur gleichen Nacht- oder Tageszeit auftreten. Es gibt eine episodische (Attacken treten über Wochen bis Monaten auf, um dann wieder zu verschwinden) und eine chronische Form. Entscheidend ist die schnelle Diagnosesicherung, dann gibt es sehr gute Therapiemöglichkeiten zur Vorbeugung und zur Akutbehandlung.
Die Trigeminusneuralgie kommt bei älteren Menschen vor und ist, wie beim Cluster-Kopfschmerz, extrem schmerzhaft. Durch eine Reizung des Trigeminusnerven am Hirnstamm durch ein arteriosklerotisch verändertes Gefäß kommt es zu stromartigen, sehr kurzen Schmerzattacken im Gesicht, meist den Ober- oder Unterkiefer betreffend. Auch hier gibt es gute Medikamente, die die Attacken unterdrücken, zur Behandlung der Ursache gibt es operative Eingriffe und verschiedene Methoden, den betroffenen Nerven direkt zu behandeln.
Der Weg zur richtigen Diagnose
Bei allen über 100 Kopfschmerzformen ist die richtige Diagnose Voraussetzung für die erfolgreiche Therapie. Um die richtige Diagnose zu finden braucht es vor allem eins: Zeit. Zeit zum Zuhören und gezielten Nachfragen durch den Arzt. In den allermeisten Fällen kann die Diagnose schon hierdurch und nach einer gründlichen neurologischen Untersuchung gestellt werden.
Bei den trigeminoautonomen Kopfschmerzen (Cluster-Kopfschmerz, Paroxysmale Hemikranie, SUNCT-Syndrom und Hemicrania continua) und den selteneren idiopathischen Kopfschmerzerkrankungen wie dem Hustenkopfschmerz, dem Anstrengungskopfschmerz, dem Kopfschmerz bei sexueller Betätigung, dem Donnerschlagkopfschmerz, dem Kopfschmerz durch Kälte, durch äußeren Druck, dem primären stechenden Kopfschmerz, dem schlafgebundenen Kopfschmerz und dem Münzkopfschmerz sind allerdings bildgebende und z. T. andere Untersuchungen erforderlich, um eine dahintersteckende Ursache sicher auszuschließen.
Auch bei anderen Hinweisen auf symptomatische Kopfschmerzen (pathologischer Befund in der neurologischen Untersuchung oder im EEG, nicht für einen primären Kopfschmerz typische Vorgeschichte etc.) müssen weitere Untersuchungen gezielt erfolgen.